Im Normalfall sind es die Regisseure und die Produzenten, die sich ihre Schauspieler auswählen. Daraus ergibt sich bei den Schauspielern die Haltung „nimm mich!“ oder „erwähle mich!“. Das ist eine ziemlich ungesunde Behandlung der künstlerischen Seele. Von daher empfehle ich einfach mal die innere Position zu wechseln: Ich suche mir den besten und interessantesten Regisseur/Regisseurin für mich. Was bedeutet das? In erster Linie verändert sich die Initiative und Eigenwahrnehmung: ich bin eine aktive interessante Künstlerin oder Künstler, der/die gute Mitstreiter:innen sucht. Du kannst sicher sein, dass diese Haltung Strahlkraft besitzt und Kolleg:innen sowie Regisseur:innen dankbar sein werden von dir ausgewählt zu werden, um gemeinsam zu arbeiten. Das ist mehr als ein nettes Gedankenspiel und du kannst diese Haltung nicht imitieren. Es funktioniert nur, wenn du wirklich eine künstlerische Position hast, wenn du wirklich etwas vorzuschlagen hast, wenn es wirklich interessant ist, sich mit dir zu verbinden. Und das bedeutet Arbeit. Solch eine Anziehungskraft speist sich nicht allein aus einer freundlichen Erscheinung; sie ist vielmehr das Ergebnis künstlerischer Initiative und dem Willen, eigene Ideen allein oder gemeinsam umzusetzen. Es liegt in deinen Händen.
Die eigenständige Vorbereitung auf Rollen oder auf Vorsprechen ist also mehr als ein handwerkliches Know-how. Egal an welchem Punkt deiner künstlerischen Karriere du gerade stehst, die Arbeit an dir selbst wird dich dein Leben lang begleiten. Und dabei sollte eines im Vordergrund stehen: was ist meine Kunst? Was ist meine Vision von Theater oder Film? Was sind meine Fragen an das Leben? Kurz was ist mein Thema, das ich mittels meiner Kunst bearbeiten möchte?
In meiner langjährigen Arbeit mit Schauspielern habe ich vor allem eines gelernt – großen Respekt vor diesem Beruf zu haben: es ist die Bereitschaft, Risiken einzugehen. Schauspieler wollen und sollen sich öffnen, werden aber dabei nur allzu oft verletzt. Das darf nicht passieren. Ganz im Gegenteil – das künstlerische Risiko führt dazu, den Geist und die Gefühle zu befreien; es ist der Weg zur klassischen Katharsis. Es gibt viele Namen für diesen Moment des Glücks auf der Bühne, in dem wir für kurze Zeit zwischen Himmel und Erde schweben. Es gibt keine Rezepte dafür, aber interessante Wege, die in diese Richtung führen.
Wie auch immer das Interesse gelagert sein sollte, ich werde dich auf deinem Weg zu künstlerischer Freiheit begleiten, unterstützen, provozieren und auch ärgern! Viele praktische Übungen und Aufgaben werden uns dabei helfen.